Unterkühlung, auch als Hypothermie bekannt, tritt auf, wenn die Körpertemperatur unter das normale Niveau absinkt. Der menschliche Körper arbeitet in einem engen Temperaturbereich von etwa 36,5 bis 37,5 Grad Celsius, um lebenswichtige Prozesse aufrechtzuerhalten. Sinkt die Körpertemperatur jedoch unter 35 Grad, beginnt die Funktion der lebenswichtigen Organe zu leiden. Unterkühlung kann schleichend eintreten, insbesondere bei feuchten und kalten Bedingungen, und stellt eine ernsthafte Gefahr dar, die sowohl im urbanen als auch im Outdoor-Bereich unterschätzt wird.
- Ursachen der Unterkühlung: Die häufigsten Auslöser sind Kälte und Nässe, oft in Kombination mit windigen Verhältnissen. Dabei kann eine unzureichende Bekleidung die Abkühlung des Körpers zusätzlich beschleunigen. Auch die Dauer der Kälteeinwirkung spielt eine Rolle, ebenso wie die körperliche und mentale Verfassung des Betroffenen.
- Primäre und sekundäre Hypothermie: Primäre Hypothermie tritt auf, wenn die Abkühlung des Körpers durch äußere Faktoren wie niedrige Temperaturen verursacht wird. Sekundäre Hypothermie hingegen resultiert aus inneren Ursachen, beispielsweise durch Schockzustände, Alkoholkonsum oder Erkrankungen wie Hypothyreose, die die Wärmeregulation beeinträchtigen.
I. Symptome und Stadien der Unterkühlung
Die Symptome einer Unterkühlung sind vielseitig und ändern sich je nach Schweregrad. Die Hypothermie wird üblicherweise in drei Stadien unterteilt, die je nach Körpertemperatur und Symptomatik variieren:
- Milde Unterkühlung (32-35 Grad Celsius): In diesem Stadium verspüren Betroffene intensives Zittern, da der Körper versucht, Wärme durch Muskelbewegungen zu erzeugen. Kalte, blasse Haut und mentale Verwirrung sind ebenfalls häufig. Es treten Schwierigkeiten bei der Koordination und leichte Desorientierung auf.
- Mäßige Unterkühlung (28-32 Grad Celsius): Bei weiter absinkender Temperatur lässt das Zittern nach, da der Körper Energie spart. Die Bewegungsfähigkeit und das Denkvermögen nehmen stark ab, und es können Sprechstörungen auftreten. Bewusstseinseintrübung und Schläfrigkeit setzen ein, was das Risiko eines Komas erhöht.
- Schwere Unterkühlung (unter 28 Grad Celsius): In diesem lebensbedrohlichen Stadium fallen die Körperfunktionen rapide ab. Der Betroffene verliert das Bewusstsein, die Atmung und der Puls sind kaum noch spürbar. Der Stoffwechsel verlangsamt sich massiv, und es kann zum Herz-Kreislauf-Stillstand kommen, wenn keine sofortigen Rettungsmaßnahmen ergriffen werden.
II. Erstversorgung und Behandlung von Unterkühlung
Eine schnelle und gezielte Erstversorgung ist entscheidend, um eine weitere Abkühlung zu verhindern und die Körpertemperatur des Betroffenen wieder anzuheben.
- Schnelle Isolation von Kältequellen: Der Betroffene sollte so schnell wie möglich vor Wind, Nässe und Kälte geschützt werden. Eine Rettungsdecke oder auch improvisierte Abdeckung mit trockener Kleidung kann helfen, die Wärme zu halten.
- Wärmezufuhr und sanfte Wiedererwärmung: Die Wiedererwärmung erfolgt idealerweise passiv, beispielsweise durch das Einwickeln in Decken und die Verwendung von Wärmepads. Auf keinen Fall sollten heiße Bäder oder intensive Wärmequellen eingesetzt werden, da diese zu gefährlichen Temperaturverschiebungen im Körperinneren führen können.
- Medizinische Maßnahmen: In schweren Fällen ist eine intensive medizinische Betreuung erforderlich. Der Transport in eine Klinik mit speziellen Wärmeerhaltungsgeräten, wie extrakorporalen Membranoxygenierungsmaschinen (ECMO), kann lebensrettend sein. Auch warme Infusionslösungen und Sauerstoffzugabe werden genutzt, um die Körpertemperatur stabil anzuheben.
III. Risikogruppen und Präventionsmaßnahmen
Besondere Risikogruppen wie ältere Menschen, kleine Kinder und Personen mit bestimmten Vorerkrankungen sind anfälliger für Unterkühlung. Auch Menschen, die sich längere Zeit im Freien aufhalten, wie Wanderer, Camper und Obdachlose, sollten Vorsichtsmaßnahmen treffen.
- Geeignete Kleidung: Das „Zwiebelprinzip“ (Schichtenprinzip) ist besonders effektiv, um den Wärmeverlust zu minimieren. Jede Schicht hat dabei eine spezifische Funktion, von der Feuchtigkeitsableitung bis zur Wärmedämmung.
- Ausreichende Flüssigkeits- und Nahrungsaufnahme: Der Körper benötigt Energie, um Wärme zu produzieren. Gerade in kalten Umgebungen ist es daher wichtig, regelmäßig zu essen und ausreichend zu trinken.
- Kenntnisse über Anzeichen und Verhalten bei Kälte: Das Wissen über die Anzeichen einer beginnenden Hypothermie und die Möglichkeit, rechtzeitig Maßnahmen zu ergreifen, können dazu beitragen, gefährliche Situationen zu vermeiden.
IV. Physiologische Aspekte der Unterkühlung
Unterkühlung beeinflusst das physiologische Gleichgewicht des Körpers auf mehreren Ebenen. Die Kälteeinwirkung beeinträchtigt die normale Funktion des zentralen Nervensystems und des Herz-Kreislauf-Systems:
- Veränderungen des Stoffwechsels: Mit sinkender Körpertemperatur wird der Stoffwechsel zunehmend verlangsamt, was den Sauerstoffbedarf des Körpers reduziert. Gleichzeitig verlangsamen sich auch die Enzymreaktionen und die Aktivität der Zellen.
- Blutdruck und Herzfrequenz: Die Kälte führt zunächst zu einer Verengung der Blutgefäße (Vasokonstriktion), wodurch der Blutdruck ansteigt. In fortgeschrittenen Stadien der Hypothermie verlangsamt sich die Herzfrequenz jedoch, was das Risiko eines Herzstillstands erhöht.
- Atmung und Sauerstoffversorgung: Die Atemfrequenz sinkt und die Sauerstoffversorgung des Gewebes nimmt ab. Die Organe erhalten weniger Sauerstoff, wodurch das Risiko von Organschäden steigt, besonders bei einer sehr niedrigen Körperkerntemperatur.
V. Unterkühlung in der Notfallmedizin
In der Notfallmedizin gelten spezielle Vorgehensweisen für unterkühlte Patienten, da herkömmliche Wiederbelebungsmaßnahmen bei Hypothermie nur begrenzt wirksam sind.
- Schonende Rettung: Das sogenannte "Afterdrop"-Phänomen beschreibt das weitere Absinken der Körpertemperatur durch Bewegung des Patienten. Aus diesem Grund müssen unterkühlte Patienten schonend transportiert werden.
- Besondere Reanimationstechniken: Unterkühlte Menschen haben einen veränderten Stoffwechsel. Ihr Körper reagiert weniger auf Defibrillation, weshalb Wiederbelebungsversuche länger durchgeführt werden können als bei normaler Körpertemperatur. Nach der Maxime „Keiner ist tot, bis er warm und tot ist“, bleibt die Reanimation oft bis zur klinischen Wiedererwärmung bestehen.