Survival-Mythen: Wenn Halbwissen gefährlich wird
Überleben in der Wildnis: Ein Thema, das durch Fernsehsendungen, Filme und ein wachsendes Interesse an Outdoor-Aktivitäten und Abenteuertourismus immer populärer wird. Doch diese Popularität birgt auch Risiken in Form von Missverständnissen und Mythen. Ein besonders tragisches Beispiel ist der Fall von Christopher McCandless, dessen Geschichte im Buch und Film "Into the Wild" festgehalten wurde.
Spätere Untersuchungen, unter anderem durch den Autor Jon Krakauer, deuteten darauf hin, dass das Neurotoxin Oxalyldiaminopropionsäure (ODAP) in Wildkartoffelsamen für seinen Tod verantwortlich sein könnte. ODAP kann beim Menschen Lähmungen verursachen, und Krakauer stellte die Vermutung auf, dass die Konzentration dieses Toxins in den Samen hoch genug war, um eine Krankheit namens Lathyrismus auszulösen.
Lathyrismus bezeichnet eine neurotoxische Erkrankung, die durch den übermäßigen Verzehr von Kicher- bzw. Platterbsen und einigen anderen Arten der Gattung Lathyrus verursacht wird. Der Haupttoxische Stoff in diesen Pflanzen ist das neurotoxische Aminosäure-Analogon ODAP (ß-N-Oxalylamino-L-alanin). Bei Menschen führt eine chronische Aufnahme von ODAP zu Muskelschwäche, Taubheit in den Beinen und schließlich zu einer lähmungsähnlichen Erkrankung.
Das Risiko einer Erkrankung steigt, wenn Pflanzen der Gattung Lathyrus über einen längeren Zeitraum als Hauptnahrungsquelle dienen, insbesondere in Zeiten von Nahrungsmittelknappheit. Daher ist es wichtig, den Verzehr dieser Pflanzen zu begrenzen und sie nicht als Hauptquelle für Nahrung zu verwenden.
Ein weiteres tragisches Beispiel ist der Fall von Geraldine Largay, die im Jahr 2013 auf dem Appalachian Trail in Maine verloren ging. Trotz ihrer umfangreichen Vorbereitung und Erfahrung verließ sie den markierten Pfad und konnte ihren Weg nicht mehr zurückfinden. Ihre Überreste wurden zwei Jahre später entdeckt, nur wenige Kilometer von dem Pfad entfernt. Ihr Tagebuch enthüllte, dass sie versucht hatte, durch das Signalisieren mit einer Pfeife und das Entzünden von Feuern auf sich aufmerksam zu machen - jedoch ohne Erfolg.
Diese Geschichten zeigen eindringlich, wie gefährlich es sein kann, auf Mythen und Halbwahrheiten zu vertrauen. Sie unterstreichen die Notwendigkeit, sich mit fundiertem Wissen und praktischen Fähigkeiten auszurüsten. In diesem Artikel werden wir einige dieser weit verbreiteten Überlebensmythen beleuchten und korrigieren.
Trotz der Vielzahl von Informationen und Ratschlägen, die heute zur Verfügung stehen, ersetzt nichts die praktische Erfahrung und Ausbildung unter realen Bedingungen. Ein professionelles Survival Training, wie es Ronny, der Inhaber von Team-Survival, im Survivalcamp in Thüringen anbietet, kann entscheidend sein. Es ist immer besser, sich auf echte Erfahrungen und Expertise zu stützen, als sich auf oft fehlerhafte konventionelle Weisheiten zu verlassen.
Doch welche dieser "Weisheiten" sind tatsächlich Mythen? Und wie können diese Missverständnisse in kritischen Situationen schaden? Lassen Sie uns einige der am weitesten verbreiteten Überlebensmythen betrachten und die tatsächlichen Fakten dahinter aufdecken.
Mythos 1: Trinken von Urin bei Wassermangel
Wahrheit: Die menschliche Niere spielt eine wesentliche Rolle beim Entfernen von Toxinen und überschüssigen Substanzen aus unserem Blutkreislauf. Dies resultiert in der Bildung von Urin – einer Kombination aus Wasser, Salzen und Abfallstoffen. Bei der Idee, den Urin zu trinken, fügt man nicht nur diese Abfallstoffe wieder dem Körper hinzu, sondern auch eine signifikante Menge an Salzen, die die Zellen dehydrieren können. In der Tat könnte das Trinken von Urin den Dehydrationsprozess sogar beschleunigen. Ein wichtiger Aspekt hierbei ist die Osmolarität, ein Maß für die Teilchenkonzentration in einer Lösung. Der durchschnittliche Osmolaritätswert des Urins liegt über dem des Blutplasmas, was bedeutet, dass das Trinken von Urin mehr Flüssigkeit entzieht, als es dem Körper zuführt.
Wahrheit: Die kalte Natur des Schnees erfordert vom Körper zusätzliche Energie, um ihn zu schmelzen und zu erwärmen, bevor das darin enthaltene Wasser für die Hydratation genutzt werden kann. Diese zusätzliche Energie wird in Form von Körperwärme verbraucht, was das Risiko einer Unterkühlung erhöht. Interessanterweise hat Schnee, abhängig von seiner Dichte und Konsistenz, eine unterschiedliche Wassermenge. Lockerer, frischer Schneefall kann einen Wassergehalt von nur 5-10% haben, während dicht gepackter Schnee oder Eis bis zu 20-30% Wasser enthalten kann. Das bedeutet, dass man, um nur einen Liter Wasser zu erhalten, zwischen 3 bis 20 Litern Schnee schmelzen müsste, je nach Dichte.
Mythos 3: Immer flussabwärts gehen, um Zivilisation zu findenWahrheit: Flüsse und Bäche sind oft Ankerpunkte für Siedlungen und können in vielen Fällen tatsächlich zur Zivilisation führen. Aber nicht alle Flüsse münden in besiedelte Gebiete oder größere Wasserstraßen. In einigen Teilen der Welt können Flüsse in Sümpfen, Seen oder unzugänglichen Schluchten enden. Zudem können die Uferbereiche gefährlich sein, sei es durch wilde Tiere, steile Abhänge oder schnelle Wasserströmungen. Historisch gesehen haben sich Menschen oft in der Nähe von Flussmündungen angesiedelt, wo der Fluss in einen größeren See oder Ozean mündet. Diese Mündungsgebiete bieten oft einen guten Zugang zu Ressourcen und Handelsrouten.
Mythos 4: Kaktuswasser ist immer sicher zu trinkenWahrheit: Die meisten Kakteen speichern in ihrer pulpy Inneren eine bittere Flüssigkeit, die nicht mit frischem Wasser gleichzusetzen ist. Einige dieser Flüssigkeiten können Alkaloide enthalten, die für den Menschen toxisch sein können. Der "Fishhook Barrel"-Kaktus ist eine der wenigen Ausnahmen, die in Notfällen konsumiert werden können, aber selbst in diesem Fall ist der Verzehr mit Vorsicht zu genießen. Andere Kakteenarten, wie der Saguaro, enthalten Flüssigkeiten, die zu Durchfall führen können – ein gefährlicher Zustand, wenn man bereits dehydriert ist.
Mythos 5: Tiere wissen immer, wo Wasser zu finden istWahrheit: Während viele Tiere instinktiv zu Wasserquellen geführt werden, ist dieses Verhalten oft saisonal und basiert auf Gewohnheit und Erfahrung. Einige Tiere nutzen Wasserstellen, die für den Menschen nicht erkennbar oder zugänglich sind, wie kleine Pfützen oder Wasser, das in Baumhöhlen gesammelt wird. Darüber hinaus können einige Tiere, wie das Wüstenkamel, Wasser in ihrem Körper speichern und über längere Zeiträume ohne direkten Wasserzugang auskommen. Das bloße Folgen von Tierspuren oder -pfaden garantiert nicht immer den Fund einer verlässlichen Wasserquelle.
Mythos 6: Moos wächst immer auf der Nordseite von Bäumen
Wahrheit: Der Glaube, dass Moos bevorzugt auf der Nordseite von Bäumen (auf der Nordhalbkugel) wächst, ist weit verbreitet, da diese Seite tendenziell schattiger und feuchter ist. In Wirklichkeit wächst Moos jedoch dort, wo es die besten Wachstumsbedingungen findet, was Feuchtigkeit und Schatten beinhaltet. In dicht bewaldeten Gebieten oder in Gebieten mit gleichmäßiger Feuchtigkeitsverteilung kann Moos rund um den Baum herum wachsen. Sich allein auf Moos als Richtungsindikator zu verlassen, kann daher irreführend sein.
Wahrheit: Das richtige Verhalten bei einem Bärenangriff hängt stark von der Art des Bären und der Situation ab. Bei Braunbären (Grizzlybären) wird oft geraten, sich tot zu stellen, wenn ein Angriff unmittelbar bevorsteht, da sie oft nur ihre Überlegenheit zeigen wollen. Bei Schwarzbären hingegen könnte dieses Verhalten fatal sein, da sie sich weiterhin bedroht fühlen könnten. Im Allgemeinen ist es am besten, Bären zu vermeiden, Lärm zu machen, um sie zu warnen, und langsam zurückzutreten, ohne ihnen direkt in die Augen zu schauen, wenn man auf einen trifft.
Mythos 8: Alkohol wärmt den Körper in kalten KlimazonenWahrheit: Obwohl Alkohol kurzfristig ein Wärmegefühl erzeugen kann, führt er tatsächlich zu einer Erweiterung der Blutgefäße, was den Wärmeverlust an der Hautoberfläche erhöht. Dies kann das Risiko von Unterkühlung in kalten Umgebungen erhöhen. Das Wärmegefühl tritt auf, weil der erweiterte Blutfluss die Hautoberfläche erwärmt, aber der Gesamteffekt ist ein Verlust von Körperwärme.
Mythos 9: Man kann immer essbare Pflanzen von giftigen unterscheiden, indem man sie kostetWahrheit: Einige Pflanzen enthalten Toxine, die bereits in kleinen Mengen gefährlich oder tödlich sein können. Ein einfacher Geschmackstest kann nicht immer genug sein, um die Sicherheit einer Pflanze zu bestimmen. Es ist unerlässlich, sich mit der Flora des Gebietes, in dem man sich aufhält, vertraut zu machen und sicherzustellen, dass man Pflanzen korrekt identifizieren kann, bevor man sie konsumiert.
Mythos 10: In der Wüste ist es immer heißWahrheit: Wüsten sind in erster Linie durch ihren geringen Niederschlag definiert, nicht durch ihre Temperaturen. Viele Wüsten, insbesondere solche in höheren Höhenlagen, können nachts extrem kalt werden. Die Temperaturschwankungen zwischen Tag und Nacht können in einigen Wüstenregionen über 40 Grad Celsius betragen. Es ist wichtig, auf diese schnellen Temperaturänderungen vorbereitet zu sein, insbesondere wenn man plant, in der Wüste zu übernachten.
Mythos 11: Reiben von Frostbeulen wärmt sie auf
Wahrheit: Frostbeulen sind Bereiche gefrorener Haut und Gewebe. Das Reiben oder Massieren von frostigen Bereichen kann tatsächlich mehr Schaden anrichten, da die Eiskristalle im Gewebe die umliegenden Zellen schädigen können. Der sicherste Weg, Frostbeulen zu behandeln, besteht darin, den betroffenen Bereich langsam in warmem (nicht heißem) Wasser zu erwärmen und weitere Kälteexpositionen zu vermeiden.
Wahrheit: Während ein Kompass in den meisten Situationen ein zuverlässiges Navigationsinstrument ist, gibt es Umgebungen, in denen er beeinflusst werden kann. Zum Beispiel können große Eisen- oder Erzvorkommen den Kompass ablenken und zu falschen Anzeigen führen. Ebenso können elektrische oder magnetische Felder in der Nähe den Kompass beeinflussen. Es ist immer ratsam, die Landschaft und natürliche Orientierungspunkte zu nutzen und den Kompass regelmäßig zu überprüfen.
Mythos 13: Man kann drei Wochen ohne Nahrung überlebenWahrheit: Während es wahr ist, dass die meisten Menschen unter idealen Bedingungen bis zu drei Wochen ohne Nahrung auskommen können, hängt die genaue Dauer stark von verschiedenen Faktoren ab, darunter Körpermasse, Gesundheitszustand, Wasserzufuhr und Wetterbedingungen. Die körperliche Aktivität kann auch den Kalorienverbrauch und damit die Zeit, die man ohne Nahrung überleben kann, erheblich beeinflussen.
Mythos 14: Man kann sauberes Wasser erhalten, indem man es durch ein Tuch filtert
Wahrheit: Das Filtern von Wasser durch ein Tuch kann größere Partikel und einige Verunreinigungen entfernen, aber es wird Viren, Bakterien und mikroskopisch kleine Parasiten nicht effektiv entfernen. Selbst klares, sauber aussehendes Wasser kann schädliche Mikroorganismen enthalten. Für eine sichere Trinkwasserquelle sollte das Wasser gekocht oder mit spezialisierten Wasserfiltern oder Chemikalien behandelt werden.
Wahrheit: Obwohl Feuer in vielen Überlebenssituationen von unschätzbarem Wert sein kann - es bietet Wärme, Signalgebung und Mittel zur Wassersterilisation - ist es nicht immer die erste Priorität. Abhängig von der Situation, wie z. B. bei extremem Wetter, kann der Schutz oder die Wasserbeschaffung dringlicher sein. Es ist entscheidend, die Umstände zu bewerten und dementsprechend zu handeln.
Mythos 16: Bei einem Blitzschlag solltest du dich flach auf den Boden legen
Wahrheit: Es wird oft angenommen, dass man sich bei einem herannahenden Blitzschlag flach auf den Boden legen sollte. Tatsächlich erhöht diese Methode das Risiko, von einem "Step Voltage"-Effekt betroffen zu sein, wenn der Blitz in der Nähe einschlägt und sein Strom sich radial am Boden ausbreitet. Anstatt sich flach hinzulegen, sollte man eine gehockte Position einnehmen, bei der man so wenig Bodenfläche wie möglich berührt.
Mythos 17: In der Wüste kann man Wasser finden, indem man einem Tier folgt
Wahrheit: Die Idee ist verlockend – folge einfach einem Tier zu seiner Wasserquelle. Aber viele Tiere in der Wüste haben sich an das aride Klima angepasst und können lange Zeit ohne Wasser überleben oder beziehen ihre Flüssigkeit aus der Nahrung. Einem Tier blindlings zu folgen könnte Sie tiefer in die Wildnis führen.
Mythos 18: Fische sind eine einfache Nahrungsquelle in Wildgebieten
Wahrheit: Obwohl Flüsse und Seen Fisch beherbergen, kann das Fangen dieser Tiere ohne die richtige Ausrüstung oder Kenntnisse sehr herausfordernd sein. Fische sind flinke Tiere und können in klarem Wasser sogar kleine Bewegungen am Ufer erkennen. Auch sind nicht alle Fische sicher zum Verzehr geeignet, einige können Giftstoffe enthalten.
Wahrheit: Einige Tiere haben Verdauungssysteme, die in der Lage sind, Pflanzen zu verdauen, die für den Menschen giftig sind. Nur weil ein Tier eine Pflanze ohne sichtbare Nebenwirkungen frisst, bedeutet das nicht, dass sie für den Menschen sicher ist. Es ist wichtig, sich mit der Flora des Gebiets vertraut zu machen und sicherzustellen, dass Pflanzen essbar sind, bevor man sie konsumiert.